fepa 2013 bis 2023

Gespräch über Simbabwe, Südafrika und fepa seit 2013: Die Regierung ist wie das Wetter

Barbara Müller, ehemalige Geschäftsführerin von fepa, an einem Event, sie lächelt in die Kamera

In diesem Gespräch mit fepa Vorstandsmitglied Barbara Müller geht es um den Kontext der Arbeit von fepa in Simbabwe und Südafrika, die Rolle von fepa bei der Unterstützung der Zivilgesellschaft und die Verantwortung der Schweiz.

Inhaltsverzeichnis:

Simbabwe: Die Macht Mugabes und seiner Nachfolger

Marcel Dreier: Vor zehn Jahren fanden in Simbabwe Wahlen statt, welche Präsident Mugabes Partei ZANU-PF erneut zur alleinigen Macht verhalfen…

Barbara Müller: Es war ein Schock! Nach den von Gewalt geprägten Wahlen von 2008 sah sich Simbabwe durch Druck von aussen gezwungen, die Opposition in die Regierung einzubinden. So entstand das Government of National Unity, welches trotz Schwächen einen Turnaround in der Wirtschaft brachte und viel Hoffnung weckte. Das Resultat der Wahlen von 2013 vernichtete aber diese ganze Entwicklung!Mit diesem Resultat hatte niemand gerechnet. Zum Teil hatte es Einschüchterungen gegeben. Zum anderen hatte sich die Oppositionspartei zu sehr aufs Regieren konzentriert. Die ZANU-PF war schlau, sie liess die anderen regieren und machte selbst Wahlkampf.

 Nach vier Jahren war dennoch Schluss mit dem alten Präsidenten.

Die Absetzung Mugabes kam nicht aus dem Nichts. Allerdings war sie auch nicht das Resultat der Arbeit der der Oppositionspartei, denn diese war durcheinander seit der Niederlage. Viel Widerstand kam aus der Bevölkerung. Da war der Pastor und Demokratieaktivist Ewan Mawarire, der sich mit einer Landesflagge um die Schultern in einer Video-Botschaft eine bessere Zukunft wünschte. Seine Rede traf einen Nerv. Es gab zudem Machtkämpfe in der ZANU-PF. Dann mischte sich die Armee ein. Und schliesslich zwang ein Militärputsch Mugabe zum Rücktritt.

Als dies geschah, ging so gut wie ganz Simbabwe auf die Strasse, um zu feiern…

Das zeigte, wie sehr die Menschen diesen Wechsel wollten – und dass sie ihn als Resultat ihres Kampfes verstanden. Leider kam der Nachfolger Emmerson Mnangagwa aus demselben Stall wie Mugabe.

War es falsch zu hoffen, dass sich etwas ändern würde?

Nein. Aber in Zimbabwe setzten sich jene Kräfte durch, denen es um Machterhalt ging.

Was geschah nach dem Rücktritt Mugabes?

2018 gab es erneut Wahlen. Hinterher kam es zu Protesten – und die Regierung reagierte äusserst brutal. Zum ersten Mal wurde die Armee gegen Demonstrierende eingesetzt. Nun haben die Leute grosse Angst sich zu exponieren. Niemand möchte erzählen, wie schwierig sich das Leben in Simbabwe gestaltet: die riesige Inflation, die Verhältnisse in den Spitälern… Es gibt auch zwei neue Gesetze, die es strafbar machen, die Würde des Landes zu untergraben. Ganz besonders im Kontakt mit dem Ausland.

Und aus wirtschaftlicher Sicht?

Mnangagwa begann mit einem Programm, das «open for business» heisst. Tatsächlich bedeutet dies, dass Simbabwe, heute ein Ort ist, wo konsequent und völlig rücksichtslos Rohstoffe abgebaut werden. Konzerne aus aller Welt sind da involviert, niemand bremst.

Angesichts dieser vielfältigen Schwierigkeiten – wie behält man in Simbabwe seinen Lebensmut?

Mein Eindruck: Die Leute nehmen die Regierung hin wie das Wetter und tun, was möglich ist für ihren Lebensunterhalt. Sie sind nicht blockiert – und das ist schon bemerkenswert!

Hat sich eigentlich fepas Arbeit im Kontext Zimbabwes verändert?

Ich war immer der Meinung, dass die Motivation aus dem Süden kommen muss. Wir haben auch die Partnerschaft nicht als altmodische oder dubiose Begrifflichkeit verstanden, sondern immer wieder neue Leute involviert, um der Partnerschaft neuen Inhalt zu geben. Und wir sind der Arbeit mit der Jugend treu geblieben, auch wenn sich der Fokus mehr auf junge Frauen verschob.

Wenn wir über die Rolle der Zivilgesellschaft reden, braucht diese auch irgendwie ein wenig Breite, Erfahrungshintergründe, in denen sie sich nicht als Opposition, sondern als Bürger:innen erfahren. Als Bürger:innen, die überhaupt die Möglichkeit haben, ihre eigenen Gestaltungsfähigkeit zu erleben. Die Möglichkeit, sich als Menschen mit Rechten erleben zu können.

Das finde ich bei Simbabwe auch das Bemerkenswerte. Besonders seit 2017 habe ich den Eindruck, dass Leute ihren Handlungsspielraum nutzen und die Regierungsverhältnisse auch miteinbeziehen. Ich höre von niemandem mehr Klagen, es ist ein Anpassen, ein Handeln und ein Überleben. Sie sind nicht blockiert und das alleine ist schon bemerkenswert. Du hörst die Überlegungen, die die Leute machen wie: Wenn wir jetzt für die Opposition stimmen und die gewinnen würde, wäre das gut? Nicht die Qualität der Opposition, sondern die Reaktion, die das bedeuten würde, ist auf eine Art auch Verantwortung für das eigene Land. Denn das Schlimmste wäre ein Bürgerkrieg.

Es ist ja leicht zu unterschätzen, wie stark die Menschen von der Erfahrung von Gewalt, gerade von kolonialer Gewalt, geprägt sind. Viele dieser Systeme und ihre Unterdrückungsmechanismen, die wir jetzt kritisieren, haben ihre Wurzeln in Erfahrungen und Institutionen der Kolonialzeit. Ein Rückblick auf die letzten zehn Jahre reicht hier nicht aus, um Simbabwes von Gewalt geprägter Geschichte zu verstehen.

Gefährdete Demokratie in Südafrika

Aber wenden wir uns Südafrika zu. Das Land ist so anders als Simbabwe, so wie ich das sehe. Es war 2013 auch immer noch ein wenig demokratischer Musterfall. Seither hatten wir das Marikana Massaker und die Zuma Regierung. Ist Südafrika auf dem Weg, ein ‚normaler’ afrikanischer Staat zu werden? Ein Land, in dem der Staat sehr schwach ist und eigentlich die Demokratie aushöhlt?

Ich würde den Begriff normaler afrikanischer Staat nicht verwenden. Aber im Moment ist Südafrika wirklich an einem Wendepunkt, an dem sich entscheiden wird, ob es gelingt, seine demokratischen Werte noch irgendwie zu retten oder ob es absackt. Und dann von irgendwelchen Kartellen (Drogen- oder anderen) und Kriminellen beherrscht wird. Es gibt jetzt schon vieles, neben den offiziellen Strukturen, was untendurch geht. In Südafrika steht in jeder Hinsicht mehr auf dem Spiel, auch für die Weltmächte mit ihren wirtschaftlichen Interessen. Um Südafrika bin ich echt in Sorge.

Beim Kampf in Marikana ging es auch noch um die Arbeiterrechte, um soziale Rechte, aber die wurden brutal niedergeschlagen. Damals verteidigte man noch soziale Rechte, jetzt muss man sogar das demokratische Projekt verteidigen.

Das Schlimme sehe ich auf der Ebene der Gesellschaft, auf der diese Polarisierung stattfindet. Die Gewaltausbrüche und Kriminalität sind schlimm. Das gefährdet auch den demokratischen Staat. Als die Richter Zuma ins Gefängnis schicken wollten, kam es zu Gewaltausbrüchen. LKWs wurden angezündet, Strassen blockiert. Der ANC hat solche Kräfte im inneren Zirkel und kann nicht damit umgehen. Auf der anderen Seite gibt es in Südafrika eine laute und aktive Zivilgesellschaft, es gibt die Pressefreiheit, Aber es gibt auch den Versuch, die Justiz zu kapern, auch bei der Polizei läuft vieles schief. Wir sehen noch Widerstand… aber es sieht nicht gut aus.

Für fepa gab es in Simbabwe eine Transition, dass fepa zuerst die Befreiungsorganisationen unterstützt hat und erst allmählich zu einem Partner einer Zivilgesellschaft wurde, die fast schon einen oppositionellen Charakter zur Staatspartei der Unabhängigkeitsära einnimmt. Sehen wir diese Bewegung jetzt auch für Südafrika, als eine Verschiebung, in der sich die Zivilgesellschaft neu aufstellt? Dass wir feststellen, der ANC ist kein Partner und die Institutionen, die aus den Freiheitsbewegungen entstanden waren, verteidigen dieses Projekt der Befreiung der Bürger:innen, der demokratischen Entwicklung nicht in dem Ausmass, das man erwarten würde.

Ich glaube, das ist bei Südafrika gar nicht so eng gewesen. Da war fepa von Anfang an gar nicht so nah im Kontakt mit dem ANC.

fepa ist also in Südafrika von Anfang an primär basisnäher gewesen oder zumindest für eine längere Zeit.

Unterstützung für Zivilgesellschaft

Du bist ja immer noch engagiert in der KEESA. Bei fepa haben die Partner mehr eine livelihood-Perspektive, z.B. die Farmarbeiterinnen. Die lange Geschichte der Apartheid spielt bei uns mit, wenn es um Entwicklungsmöglichkeiten geht. Bei der KEESA geht es eigentlich um andere Themen wie Rohstoffe oder nicht?

Ja, bei der KEESA geht es mehr um Menschenrechtsverteidiger:innen. Wir wehren uns gegen die Kriminalisierung von Leuten, die sich für Rechte einsetzen.

Also Solidarität mit den Leuten, die jetzt so sehr unter Druck gekommen sind in Südafrika.

Ja, die auch ermordet werden, wenn sie sich z. B. gegen Vertreibungen zur Wehr setzen. Das gibt der KEESA dann eine andere Perspektive auf das Land. Wenn du dich nicht an den Staat wenden kannst, wenn Unrecht geschieht, wenn Leib und Leben gefährdet sind. Es braucht also Allianzen, die wir von der KEESA aus unterstützen.

In Simbabwe kann man das eigentlich auch nicht. Es zeigt, wie die Leute gelernt haben, mit den schwierigen Bedingungen umzugehen und zu lernen, welche Handlungsmöglichkeiten sie haben.

In Südafrika hat die Erwartung bestanden, dass der Staat soziale Rechte und Kämpfe schützt.

Und darin liegt die Enttäuschung. Dass man eigentlich merkt, radikale Politik in Südafrika wird heruntergeknüppelt. Wir werden sehen müssen, wie es weitergeht.

Fokusverschiebung beim fepa?

Bei fepa standen 2013 die jungen Leute stark im Fokus. Geriet dies vielleicht ein wenig aus dem Blick, weil die Partner:innen älter geworden sind?

Wir fokussieren heute mehr auf junge Frauen. Das ist ja immer noch Jugend, von daher ist es nicht grundlegend anders. Die Förderung von jungen Frauen, damit sie sicheinbringen können, war von Anfang an wichtig. Jetzt gehen wir bedeutender auf frauenspezifische Probleme wie Frühheiraten und geschlechtsbasierte Gewalt ein. Dieses Thema hat ja fepa nicht unbedingt gesucht, sondern wurde an uns herangetragen. Denn das sind die Themen, die junge Frauen beschäftigen.

Wir glauben, dass die jungen Leute eine besondere Rolle übernehmen. Wieso eigentlich dieser Fokus?

Die Jugend ist einerseits die grosse Mehrheit der Bevölkerung und andererseits genau der Teil der Bevölkerung, der in der Politik nicht vorkommt und gestärkt werden muss. Und sie warten ja auf diese Gelegenheit. Sie sind aktiv.

Es ist also der Ausschluss, der das Problem der jungen Menschen ist.

In Simbabwe gibt es einen 80-jährigen Präsidenten, der den Kontakt zu den jungen Menschen verliert, ihre schwierige Lebenssituation in den Augen vieler junger Menschen nicht nachvollziehen kann. Gleichzeitig sagt man diesen, sie hätten noch Milchschaum um den Mund, und bringt sie zum Schweigen, wenn sie politisch aktiv sind und eine eigenen Meinung vertreten. Das ist unglaublich diskriminierend.

Man hört die Klagen der Jungen, sie bekämen keinen Raum für ihre Entwicklung. Sie sehen die Herausforderugnen anders: Es gibt gleichzeitig so viele Veränderungen, die Welt ist digitalisiert worden, Kommunikation hat sich neu formiert und stark verändert.

Sie spüren ja auch, wie veraltet diese Führungen sind. Oftmals sind sie besser ausgebildet, müssen sich aber irgendwelchen Vätern oder Grossvätern unterordnen nur aufgrund ihres Alters. Was vielleicht auch noch eine Rolle spielt, ist dass es viele Absolvent:innen gibt, die auf der Strasse stehen und keine Arbeit haben. Das ist natürlich ein grosses Potenzial für Unzufriedenheit.

Auf dem Land beobachten wir, dass die Jungen wieder einen Weg finden. Wir sehen das bei PORET, in der Agrarökologie, dass da junge Menschen eine Zukunft sehen. Aber der Zugang zum Land ist immer noch ungelöst. Das wäre eine unglaubliche Ressource, wenn junge Leute auf das Land zugreifen könnten.

Partnerschaft in den letzten zehn Jahren

Die letzten 10 Jahre sind ein Erfolg und das fepa Modell von Partnerschaft funktioniert eigentlich gut. Einerseits haben wir Rückmeldung darüber erhalten, wie sich das Leben vor Ort bei unseren Partner:innen verändert. Auf der anderen Seite steht unser Leben hier, wo sich die Strukturen nicht bewegen. Sehe ich das zu pessimistisch, wenn ich sage, dass wir den grossen Kontext der Entwicklung nicht beeinflussen können?

Die Diskussion, die fepa geführt hat, zeigt uns, dass Partnerschaft kein altmodischer Begriff ist. Es war ein dubioser Begriff aus den 60er Jahren, aber ich glaube, es ist uns gelungen, den neu zu füllen. Für uns ist er eine Leitlinie, deswegen war es ganz wichtig, ihn immer wieder neu zu definieren.

Aber was du angesprochen hast, bezüglich der Strukturen: Es war schon immer so, dass Menschen, die für Emanzipation und Befreiung eintreten, nie in der Mehrheit waren. Heute sind die Begriffe, welche die entwicklungspolitische Bewegung damals prägte, zu den „best practices“ in der internationalen Zusammenarbeit geworden. Ich weiss nicht, ob es heute besser oder schlechter ist. Der Wunsch und die Hoffnung nach grundsätzlichem Wandel aus den 70ern ist vielleicht einer realistischeren Einschätzung gewichen. Wir wissen halt nicht genau, was daraus wird. Jede neue Generation knüpft sich ihre eigenen Kontakte und macht ihre eigenen Erfahrungen und ist nicht unbedingt daran interessiert, was die vorher gemacht haben.

Barbara Müller, Vorstandsmitglied von fepa, eine ältere weisse Frau, lacht.
Barbara Müller, ehemalige Geschäftsführerin von fepa

Vielleicht ist ja der Ansatz, dass Wandel von hier aus kommen muss, auch nicht das Modell, das zu Erfolg führen muss.

Ich war immer der Meinung, dass die Motivation und die Impulse aus dem Süden kommen müssen. Dort handeln die Menschen nicht einfach aus einer Idee der Gerechtigkeit heraus, sondern aus Notwendigkeit. Die ganze Konzernverantwortungsinitiative war etwas Tolles, hat aber auch die Grenzen gezeigt. Selbst wenn sie durchgekommen wäre, hätte es wohl im bürgerlichen Parlament Verwässerungen gegeben. Die Tatsache, dass wir auf Kosten des Südens leben, ist halt eine unangenehme Wahrheit.

Es ist einleuchtend, dass man Leute im Süden stärkt, die für Gerechtigkeit arbeiten. Sie sind auch die richtigen Träger:innen, die bestimmen, was Gerechtigkeit heisst und wir können nicht das Monopol darauf haben. Vielleicht ist die Lösung ja afrikanisch, panafrikanisch.

In meiner Wahrnehmung ist schwierig zu wissen, ob man etwas selber besser versteht oder ob sich tatsächlich etwas verändert hat. Ich meine zu sehen, dass nach haben Menschen aus Afrika heute einen anderen Auftritt haben, ein anderes Bewusstsein über ihre Bedeutung. Sie verstehen sich selbst überhaupt nicht mehr als die «Armen». Sie bewegen sich anders in der Welt.